Equal Pay auch Standard im Verwaltungsrecht

“Und da werden weitere Urteile folgen – die Equal Pay-Debatte nimmt auch im öffentlichen Raum Fahrt auf“, die Hamburger Rechtsanwältin Kerstin Dreyer ist sicher, dass es  in der Schnittmenge von Arbeits- und Verwaltungsrecht zu weiteren Entscheidungen kommen wird, nachdem das Freiburger Verwaltungsgericht das Thema „Equal Pay“ sehr frauenfreundlich aufgenommen und ausgeurteilt hat. Das Gericht spricht einer ehemaligen Bürgermeisterin nachträglich ein höheres Gehalt zu, da sie offenbar weniger verdiente als ein männlicher Kollege.

Dagegen hatte die Frau geklagt, sie sei aufgrund ihres Geschlechtes schlechter bezahlt worden.

Insgesamt muss die Stadt Müllheim Schadenersatz in Höhe von 50.000 Euro an die ehemalige Bürgermeisterin bezahlen, zudem muss die neue Besoldung auch als Kriterium für das zukünftige Altersgeld der Frau herangezogen werden.

Das Verwaltungsgericht (VG) Freiburg entschied mit Urteil vom 3. März 2023 zum Aktenzeichen 5 K 664/21 entsprechend. Das Verfahren war bereits im Jahr 2021 aufgenommen worden, als die parteilose Ex-Bürgermeisterin auf Basis des Gleichberechtigungsgrundsatzes Klage einreichte: Sowohl ihre Vorgänger als auch die Nachfolger hätten besser verdient, und zwar entsprechend einer höheren Besoldungsstufe.

Für ihre Amtszeit von 2012 bis 2020 sei sie in einer zu niedrigen Besoldungsgruppe eingestuft worden. Sowohl ihr männlicher Vorgänger als auch ihr männlicher Nachfolger hätten Bezüge nach einer höheren Besoldungsgruppe erhalten. Während die männlichen Kollegen in die höhere B 4 Klasse eingeordnet wurden, erhielt die Klägerin ihr Geld nach der Besoldungsstufe B3 – beide Stufen sind für Städte der vorliegenden Größenordnung (15.000 bis 20.000 Einwohner) zulässig. Zuständig für die abschließende Einordnung ist der Gemeinderat, wenn es mehr als eine Möglichkeit der Eingruppierung gibt.

Nach § 22 AGG kommt es ganz klar zu einer Beweislastumkehr, wenn Indizien eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Dreyer: „Der Katalog zählt auch das Geschlecht als Merkmal auf. Demnach darf niemand aufgrund seines Geschlechtes schlechter behandelt werden!“ Dies bedeutet, dass die Stadt beweisen muss, dass die Einordnung richtig war und das Geschlecht dabei keine Rolle spielte!

Die Stadt erkennt keinen Fehler, bei der Ausgestaltung der Verträge und bei der Einordnung der Besoldungsstufen wäre es nicht um das Geschlecht gegangen. Eine solche Aussage allein reicht aber nicht aus – im Rahmen der Beweislastumkehr darf die Klägerin das ins Blaue hinein feststellen und die Gegenseite muss beweisen, dass dem nicht so ist.

Aufgrund der Aktualität des Urteils ist noch nicht klar, ob die Stadt Müllheim vor das OVG ziehen wird. Das Urteil ist daher noch nicht rechtskräftig.

Dreyer: „Die Beweislastumkehr wird die Hürde hoch legen, ich kann mir im vorliegenden Fall keine Beweisführung vorstellen, die stichhaltig sein könnte!“


 Wir zitieren das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen, Jugend:

„Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechtes, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“

Da kommt auch ein Gemeinderat nicht drumherum…